Gerechtes 1:1 im Auftakt 2018 – Waldbadexpress belohnt sich nicht für spielerischen Aufwand

(sm) Die völlig verrückte Kreisliga A 17/18 sorgt dafür, dass man am Waldbad nach dem intensiven 1:1 am 17. Spieltag gegen Angstgegner Versmold eigentlich laut „Hurra“ schreien könnte. Ich schreie aber nicht laut „Hurra“. So wie sich der Waldbadexpress im Messen mit einem direkten Konkurrenten nur ein mageres Pünktchen sichern konnte, so zerlegte es den Meisterschaftsfavoriten TuS Brake an diesem Spieltag mit einem 0:1 in Ubbedissen ganz. Aber auch der TuS 08 ist in dieser Saison schon einige Male nur ganz knapp an Niederlagen vorbeigeschrammt, weshalb es in jeder Partie gilt, sich in Acht zu nehmen: Vom Tabellen-1. bis zum 16., in der Liga kann bei entsprechender Tagesform jeder, jeden schlagen und am Ende werden wohl Nuancen entscheiden.

Stefan Dopheide räumte in der Senner Defensive massenweise hohe Bälle ab.
Stefan Dopheide räumte in der Senner Defensive massenweise hohe Bälle ab.

Nach den bereits erwähnten, intensiven 90 Minuten gegen Hinrunden Bezwinger Versmold kann man in der abschließenden Analyse zu ganz unterschiedlichen Ansichten gelangen. Sicherlich ist hierbei die Couleur des Standpunktes nicht unerheblich. Bemisst man es ganz nüchtern nach der Qualität der sich bietenden Gelegenheiten, kann man wohl zu der Auffassung gelangen, dass der TuS 08 einen Punkt gewonnen hat. Nimmt man Aufwand der Spielanlage, Ballbesitz und Spielregie als Kriterium her, kann man aus Senner Sicht mit dem Punkt nicht zufrieden sein, weil man diese Elemente nicht in klare Torchancen umformulieren konnte. Auch der Unparteiische, der in den letzten Partien zwischen Versmold und Senne eine zentrale Rolle spielte, gab durchaus Anlass zu differenzierter Betrachtungsweise aus beiden Lagern. Ich werde einmal probieren, alle auf der Hand liegenden Argumente zu berücksichtigen.

Auf dem kleinen Kunstrasenplatz am Waldbad hat der Waldbadexpress bisher zwar zahlreiche Tests gewonnen, für einen Punktgewinn hat es in bisher zwei Pflichtspielen aber nicht gereicht. Das sollte sich dieses Mal ändern.

Der kranke Mike Wahsner an der Senner Außenlinie musste sich durch seinen Co-Trainer „Bad Cop“ Christian Lyko vertreten lassen, das Trainerensemble hatte sich im Vorfeld viele Gedanken zu der Partie gegen die unbequemen Versmolder gemacht, ein nicht unerheblicher Teil dieser Taktik ging zwar auf, am Ende entschieden aber maßgebliche individuelle Fehler über den Spielausgang. Insgesamt spielte das Waldbadensemble mit einer erfrischend offensiven Aufstellung, um die eigenen Stärken voll zur Entfaltung bringen zu können, was sich im Einsatz dreier etatmäßiger Offensivspieler mit Florian Helmke, Philipp Schlegel und Timon Finger äußerte. In der zentrale harmonierten insbesondere im ersten Durchgang mit Nikolas Kompodietas und Michel Dennin die insgesamt auffälligsten Senner stark neben dem unnachahmlichen „Turm“ in der Zentral-Abwehr, Stefan Dopheide. Auf den Flügeln spielten Simon Czernia und Luka Marquardt, die bis auf in wenigen Situationen im ersten Durchgang, keine fruchtbaren Durchbrüche schafften, obwohl Czernia mit dem 1:0 das einzige sehenswerte Senner Tor erzielte.

Defensiv spielten die Senner höchst kontrolliert und auf engstem Raum ansehnlich, wenngleich sich die Gäste mit zwei Viererketten tief hinten reinstellten und wie schon im Hinspiel über lange Bälle auf Konter spekulierten. Marcel Landgraf und auf der Position erstmalig aktiv, Ole Gruner, flankierten Stefan Dopheide in der Abwehr, machten das insgesamt ansprechend, lieferten den Gästen aber immer wieder durch leichtfertige Fehlpässe im Aufbauspiel Bälle, die diese postwendend für gefährliche Szenen auszunutzen verstanden.

Die Senner Verantwortlichen Riege musste in dieser ganz schwierigen Auftaktpartie vielen Erwägungen und Annahmen Tribut zollen, weshalb auch mit Luka Marquardt und Philipp Schlegel grundsätzlich etatmäßige Stammkräfte in der Anfangsformation standen, die studien- und berufsbedingt im Rahmen der Vorbereitung nicht viel trainieren konnten. Das wirkte sich in vielen kleinen Momenten gegen die starke Gästedefensive aus und beide Akteure blieben insgesamt blass.

Ole Gruner agierte erstmalig in neuer vollständig defensiver Rolle und musste sich in zahlreichen Zweikämpfen beweisen.
Ole Gruner agierte erstmalig in neuer vollständig defensiver Rolle und musste sich in zahlreichen Zweikämpfen beweisen.

Bei schönem, sonnigen Wetter auf dem 46x91 Meter großen Geläuf am Waldbad entwickelte sich von Anfang an eine rassige Partie, die zwar von den taktischen Marschrouten beider Mannschaften deutlich sichtbar geprägt war, aber trotzdem Hochspannung und die Chance zur Entscheidung auf beiden Seiten bot.

 

Während der Waldbadexpress über viel Ballkontrolle und exzellenten, sicheren Spielaufbau der beiden zentralen Mittelfeldprotagonisten Dennin und Kompodietas kam, suchten die Gäste regelmäßig ihren schnellen Sturmtank, scheiterten aber in der Regel an der starken Luftraumbeherrschung von Stefan Dopheide. Auch Landgraf und Gruner gefielen in den Zweikämpfen, verspielten aber einige gefährliche Bälle in die sofort stark umschaltendende zweite Viererkette der Gäste. Bereits kurz nach Beginn hat Timon Finger einen stark von Kompodietas über Czernia eingespielten Ball am Fuß vor dem Gästetor, kann aber bedrängt mit dem schwachen Fuß nicht sauber abschließen. Die Gäste sind dann bei zahlreichen Freistößen aus dem Halbfeld brandgefährlich, so kann Florian Krogmann einen nur unzureichend geklärten Ball der zu einem gefährlichen Torschuss aus 18 Metern wird, gerade noch mit den Fingerspitzen klären. Aus der fälligen Ecke wird sofort eine 100%ige Chance für Versmold, als die Gäste gleich zweimal im allgemeinen Gewirr an die Unterkante der Latte treffen und erst in allerletzter Not die Situation gerettet werden kann. Der Waldbadexpress war gewarnt, Versmold sollte wie erwartet mit langen hohen Bällen höchste Torgefahr verbreiten können. Zwar gelang den Sennern insbesondere in der ersten Halbzeit immer wieder ein schöner, sicherer und z.T. schnörkelloser Spielaufbau, in den entscheidenden Zonen vor dem Versmolder Tor konnten sich die Senner aber nur selten durchsetzen. Zwar kommen die wuchtigen Einwürfe von Simon Czernia regelmäßig punktgenau und in die Gefahrenzone, aber die Lufthoheit im Versmolder Sechzehner vermochten die Senner sich nicht zu erstreiten. Gefährlich wird es immer, wenn Simon Czernia präzise in Szene gesetzt, trotz des wenigen Raums, eine Vorhergabe von links produziert. An genauso einer springt Luka Marquardt Mitte der ersten Halbzeit aber leider vorbei, eine der wenigen totsicheren Chancen der Südbielefelder. Versmold nutzt indes immer wieder Aufbaufehler oder nur minimale Inkonsequenzen in der Senner Defensive. In so einer Szene muss der starke Florian Krogmann im Senner Tor Kopf und Kragen riskieren und räumt im herauslaufen Ball und Gegenspieler ab, woraufhin die Gäste vehement Strafstoß fordern.

Der Unparteiische hatte indes die teilweise hitzige aber nie über die Maße unfaire Partie zwar grundsätzlich im Griff, ließ aber eine einheitliche Linie vermissen und variierte zwischen sehr kleinlicher und recht großzügiger Regelauslegung.

Im Offensivspiel ackerte einmal mehr der unermüdliche „Oldie“ Florian Helmke großartig, der in der Senner Abteilung Attacke den auffälligsten Part spielte, während Timon Finger in der Zentrale von der baumlangen Defensive der Gäste völlig abgemeldet war und nicht in die Partie fand. Helmke war es dann auch, der nach einem der wenigen kurz ausgeführten Einwürfe am schnellsten schaltete, den Ball auf den über die rechte Senner Seite einlaufenden Simon Czernia querlegte, der aus spitzem –Czernia-typischen Winkel zur 1:0 Führung für Senne einschoss.

Kurz nach der Senner Führung nutzen die Gäste einen zu kurz geklärten Ball für einen weiteren Distanzschuss, der immer länger wird und an den Pfosten des Senner Gehäuses knallt, bevor er aus der Gefahrenzone geklärt werden kann. Während Senne im ersten Durchgang bei ca. 60% Ballbesitz drei hochkarätige Chancen verzeichnen kann, sind es bei den Gästen vier gute Gelegenheiten und durchaus auch Glück auf Seiten der Senner, Glück, das man im Hinspiel nicht hatte.

Im zweiten Durchgang agierten die Gäste defensiv noch kompromissloser und ließen kaum noch etwas zu. Trotz der nach wie vor überlegenen Spielanlage sprangen für den Waldbadexpress nur noch Strafraumszenen dabei heraus, aber nichts, bis auf die Szene kurz vor Schluss, als sich der eingewechselte Furkan Yilmaz gegen den Torabschluss mit dem schwachen Fuß entschied, was man zwingend nennen könnte. Senne versuchte es zunehmend mit verzweifelt wirkenden langen Bällen vorne rein, die die Gäste aber zu 80% abfischten oder im zweiten Klärungsversuch löschten, bevor wirkliche Gefahr aufkeimte. In der Senner Abwehr waren es immer wieder der Senner Torwart Florian Krogmann oder eben Stefan Dopheide, die die Lang-hoch-rein-Bälle der Versmolder zu klären vermochten, oder eben Ole Gruner und Marcel Landgraf, die sich in den Zweikämpfen ordentlich schlugen. Unglücklicherweise verletzte sich Florian Krogmann bei einer Rettungstat an der Schulter, musste sich aber bis zum Ende durchbeißen, weil sich der etatmäßige zweite Senner Torwart beim Freitagstraining eine Bänderverletzung zugezogen hatte. Eine Riesenchance der Gäste kann Mitte des zweiten Durchganges Michel Dennin entschärfen, als er das entscheidende Laufduell in der Senner Abwehr gegen seinen Kontrahenten gewinnt und für den bereits geschlagenen Florian Krogmann kurz vor der Linie klären kann.

Der Versuch aus der zweiten Reihe: Ein zu selten genutztes Mittel.
Der Versuch aus der zweiten Reihe: Ein zu selten genutztes Mittel.

In der Offensive egalisierten sich beide Mannschaften danach zunehmend, sodass am Ende wohl Glück und/oder ein entscheidender Fehler über den Ausgang der Partie entscheiden würde. Beides möchte man meinen trat am Ende ein, denn der spielentscheidenden Szene geht ein schwerer Abstimmungsfehler zwischen Stefan Dopheide und Ole Gruner voraus, bei der der eigentlich unbedrängte Gruner einen weiten Pass der Gäste auf Kommando nicht wie jeweils zuvor konsequent weg köpft, sondern herunterkommen lässt. Den „zweiten Ball“ kann das Altkreisteam ergattern und startet sofort einen unvermittelten Angriff, bei dem die Senner Abwehr kalt erwischt wird. Zwar kann Marcel Landgraf den zu ungenauen Pass auf den Versmolder Angreifer erlaufen, er trifft aber im Ballwegspitzeln auch den Gegenspieler und der Schiedsrichter entscheidet im Sechzehner auf Strafstoß. Eine gefühlte Konzessionsentscheidung nach der elfmeterwürdigen Szene im ersten Durchgang, möchte man meinen, hier war Landgraf durchaus erkennbar als Erster am Ball gewesen, der Schiedsrichter stand aber näher dran und entschied anders.

Der Strafstoß führte zum keinesfalls unverdienten Ausgleich, die zahlreichen Zuschauer erlebten ein umkämpftes Schlussviertel mit Hochspannung, bei dem die Senner einfach nicht mehr zwingend genug agierten und die Gäste keine Fehler machten, sodass trotz eines nervenaufreibenden Hin- und Hers am Ende das Remis stand.

 

„Sich für seinen Aufwand zu belohnen“, ich weiß nicht, von wie vielen unterschiedlichen Trainern ich diese vermeintliche „Binse“ inzwischen gehört habe, allerdings ist sie aktueller denn je. Dem jungen Team vom Senner Waldbad ist in der breiten Masse kein regelrechter Vorwurf zu machen, denn vieles von dem, was das Trainerensemble in den letzten Wochen gebetsmühlenartig wiederholt hat wurde berücksichtigt. Auch wurde beherzt gekämpft und gelaufen. Am Ende ist es wohl auch immer, gerade in dieser Liga, eine Frage der unterschiedlichen Tagesformen und des Trainingsstandes. Wenn man sich ansieht, wie Mitte der zweiten Halbzeit auf engstem Raum über 15, 16 Stationen der Ball unter Gegnereinwirkung im Kurzpassspiel behauptet wird, um dann gekonnt die Seite zu verlagern, dann kann dem Freund eines technisch ansprechenden Fußballspiels schon das Herz aufgehen. Allerdings ist das Ganze „brotlos“, wenn sich im letzten und entscheidenden Drittel nicht durchgesetzt werden kann. Damit gelangt man auch zu dem entscheidenden Punkt, den die Waldbadkicker sich, zumindest im Wettbewerb, beharrlich weigern umzusetzen: Den Schuss aus der zweiten Reihe. Sicherlich gibt es hier und da mal einen Versuch mit gefühlter, kilometerweiter Ablage, aber den konzentrierten Fernschuss aus 25 Metern suchte man mit Ausnahme eines Einzelexemplars von Philipp Schlegel, der aber auch 10 Meter drüber ging, heute vergebens. Die Mannschaft besinnt sich auf ihre Stärken, klar, aber wenn ich beinahe fünfundvierzig Minuten gegen eine Mauer laufe, oder merke, dass die Offensivleute kein Bein an die Erde kriegen, dann muss ich meine schussgewaltigen Akteure in Szene setzen, die müssen sich dann auch mal „trauen“ und dann kann man immer mal noch auf „zweite Bälle“ spekulieren.

Mit sehr viel Fortune, wäre heute wohl ein denkbar knapper und „ganz schmutziger“ Dreier drin gewesen, am Ende muss man und kann man mit dem Unentschieden zufrieden sein.

 

Noch ein weiterer Punkt wird sich in den kommenden Wochen als wohlmöglich sogar entscheidend herausstellen: Welche Mannschaft kann im Wettbewerb während der derzeitigen Phase auf den Großteil seiner etatmäßigen Akteure zurückgreifen, wie fit sind diese und wie entwickelt sich der Kranken- und Verletztenstand. Hier ist auch Mentalität gefragt, ein schwieriges Thema.

 

Man oft the Match: Michel Dennin