Déjà vu 2016 – Senne erleidet 1:8-Debakel in Brake

Sang- und klanglos ist der Waldbadexpress mit 1:8 beim Titelfavoriten TuS Brake unter die Räder gekommen, den Senner Ehrentreffer erzielte Simon Czernia in der Schlussminute.

Nach dem Debakel: Kabinen Stillleben
Nach dem Debakel: Kabinen Stillleben

(sm) Dieser Spielbericht wird wohl ein wenig aus der Rolle fallen, wie sollte es auch angesichts des heute Erlebten anders sein. Jeder Mensch hat wohl so seine Art, mit Erlebtem umzugehen, Erlebnisse zu verarbeiten um sie für sich selber richtig einordnen zu können. Mir gelingt das am besten, wenn ich die Dinge zu Papier bringe. So entstanden 2004 die Spielberichte. Später habe ich meine Erlebnisse aus den Krisen- und Kriegsgebieten, die ich „bereisen durfte“, auf eben diese Weise aufgearbeitet und einem kleinen Kreis zukommen lassen. Vielleicht auch, um denjenigen zu helfen mich besser zu verstehen, wenn ich nach Monaten aus der Fremde heimkehrte.

 

 

 

Ob Spielbericht oder Tagebuch, mir geht es zum einen darum, ein Feedback zu geben -auch öffentlich-, das in der Masse mit einer ganz persönlichen Wertschätzung verbunden ist, auf der anderen Seite aber auch darum, Unbegreifliches greifbarer zu machen. Manchmal muss man Phänomene in seine Teile zerlegen, sie partiell analysieren um sie dann als Ganzes zu verstehen. Eine ganze Menge „Binsen“ für einen so späten Abend, der wohl noch eine Weile dauern dürfte.

 

Die Ereignisse des heutigen Spieltages, um so langsam mal an die inhaltliche Substanz dieses entsetzlichen Fußballspiels in der Bielefelder Kreisliga A zu geraten, haben sich nicht erst gestern oder vorgestern abgezeichnet, nein sie haben sich schon seit einigen Wochen abgezeichnet. Bereits seit dem Last-Minute Sieg in Altenhagen schrillen eigentlich die Alarmglocken, oder wenn man ganz ehrlich ist, schon seit der ärgerlichen Niederlage am zweiten Spieltag. Der Derbysieg gegen gute Ummelner hat ein wenig darüber hinweggeholfen, aber letzten Endes lediglich die Symptome etwas abgeschwächt. Manchmal hilft eben nur die Brutalität der normativen Kraft des Faktischen, um klar zu sehen. Klar zu sehen heißt dabei aber noch nicht, auch die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, daran wird das junge Team vom Waldbad mit Trainern und Verantwortlichen wohl in der kommenden Woche gemeinsam arbeiten müssen, womit wir wieder beim Thema „Verarbeiten“ wären.

 

 

 

Selbst wenn es noch so bitter und beinahe physisch schmerzhaft ist, hat so eine derbe Klatsche, wie die heute Erlebte, auch was Positives: So ein Ergebnis ist in seiner Aussagekraft so deutlich, dass es nicht viel zu diskutieren gibt und daher noch weniger Ausreden.

 

Dabei gerät man natürlich sofort wieder in Gefahr, die Rahmenbedingungen für alles verantwortlich zu machen, aber alles der Reihe nach.

 

Das zweite Jahr in einer Klasse ist bekanntlich das Schwierigste, gerade dann, wenn man so ein erstes Jahr hingelegt hat, wie der heimische Waldbadexpress. Sicher haben wir zum selben Zeitpunkt ein Jahr zuvor genauso „furchtbar auf die Schnauze bekommen“, wie jetzt heute, aber trotzdem ist alles etwas anders. Die Personalsituation, die natürlich bei solch desaströsen Ereignissen, wie dem heutigen, immer als erste zitiert wird, ist eigentlich schon seit der Vorbereitung eine kleine Katastrophe. So waren zum heutigen Spiel zwar 19 Aktive im Kader, dieser schrumpfte aber wieder bis fünf Minuten vor Spielbeginn auf 15 Spieler inklusive Ersatztorwart. Die letzte Umstellung musste Coach Wahsner kurz vor Anstoß vornehmen, weil sich ein Abwehrspieler mutmaßlich beim Aufwärmen verletzte. Zuvor waren mit Marcel Landgraf beim Freitagstraining und Luka Marquardt (Studium) zwei feste Standbeine der Senner Defensive weggefallen, nachdem Moritz Dennin erst unter der Woche wieder das Training aufgenommen hatte. Ich werde das „Hohe Lied“ des Personalausfalls nicht zu Ende singen, denn es ist müßig, wäre ohnehin nur eine Wiederholung und zudem eine Ausrede, da dennoch 11 Spieler gegen 11 Spieler auf dem Platz standen, die den Anspruch haben, der Klasse gerecht zu werden. Vor Florian Krogmann im Tor liefen somit Moritz Dennin und Stephan Dopheide in der Innenverteidigung sowie Til Stelbrink und Henrik Eckseler in der Außenverteidigung auf.

 

Flori Helmke mühte sich mit Kapitän Michel Dennin auf der Doppelsechs, beide hatten einen äußerst schweren Stand, mussten fast ausschließlich defensiv arbeiten und liefen sich beim Versuch „wund“, katastrophalste Individualfehler auszubügeln. Neuzugang Marvin Hülse erwischte auf dem einen Flügel genauso einen rabenschwarzen Tag wie beinahe die gesamte Defensive, lediglich Simon Czernia auf dem anderen Flügel erreichte so etwas wie „Normalform“ und arbeite solide sowie mit dem nötigen Körpereinsatz. Malte Gruner hatte angeschlagen die gesamte Woche nicht trainiert und fand überhaupt keine Bindung zum Spiel, lediglich durch starke Individualszenen konnte die hängende Spitze auf sich aufmerksam machen. Ähnliches galt für Torjäger Timon Finger, den zudem das Glück verließ und zwei Mal haarscharf verpasste.

 

 

 

Mit Dennis Ambrosius, Rufus Vicktor und Sebastian Paschkowski verfügter das Senner Trainerduo zum Spitzenspiel somit über ganze drei Alternativen, in Anbetracht der eigentlichen Kadersituation fast schon ein Offenbarungseid.

 

Die erste gute Szene gehört sogar noch den Sennern, als Simon Czernia aufmerksam und angriffsfreudig einen Patzer in der Braker Hintermannschaft beinahe für eine frühe Senner Führung nutzen kann, ab dem Moment lief aber dann auch alles schief, hatten die Senner Weltmeere voll Pech und gelang dem starken Gastgeber eigentlich alles.

 

 

 

Es wäre jetzt müßig, die Entstehungsgeschichte eines jeden Gegentores darzulegen, daher beschränke ich mich auf das Wesentliche: Brake war physisch sowohl phänotypisch als auch vom Auftreten haushoch überlegen, war wach, schnell, aggressiv, spielfreudig, zielstrebig und torgeil. Als würden die Gastgeber den gesamten Frust über das Scheitern in der vergangenen Saison auf dieses eine Spiel projizieren, waren die Nordbielefelder den Südbielefeldern in allen Belangen weit voraus.

 

Hinzu kam eine enorm hohe individuelle Fehlerquote bei den Sennern, die jedes Mal postwendend und in aller Konsequenz bestraft wurde. Es lagen zwei Klassen zwischen dem TuS aus Senne und dem TuS aus Brake und das spiegelte sich bereits nach 45 Minuten in dem Ergebnis wieder. Ein Großteil der Senner Akteure wirkte überfordert und ergab sich dieser Situation. Selbst ein Eigentor produzierten die Waldbadkicker, was deutlich Zeugnis von dieser immer brutaleren Schmach gab. Ich möchte noch nicht einmal dem Gros absprechen, dass es sich nicht wirklich bemüht hat, aber mit fünf Treffern im Rücken gelingt dem Gastgeber dann auch fast alles, während die Senner, die sich dennoch das eine oder andere Chancelein erarbeiteten, bis auf in der letzten Szene, teilweise unfassbar scheiterten.

 

Die Senner Defensivarbeit, stand natürlich ständig im Fokus und, das muss in dieser Deutlichkeit gesagt werden, ließ die Ligatauglichkeit vermissen. Alleine das frühe 1:0 ist ein Treffer, der sich inzwischen vier oder fünf Mal wiederholt hat, ganz zu schweigen von den brutalen Abspielfehlern, die den eigenen Spielaufbau bereits in der Entstehung zunichtemachen. Hier entstand einfach der Eindruck, dass aus den Fehlern nicht gelernt wird. Der Senner Ehrentreffer war eine Co-Produktion von Dennis Ambrosius, Sebastian Paschkowski und Simon Czernia, der das Leder am Ende über die Linie wuchtete.

 

Mit 1:8 verließ man letzten Endes, wie geprügelte Hunde, den Braker Kunstrasen und verschwand in der Kabine.

 

 

 

So. Nach zwei (drei) Warnschüssen hat es denn mal so richtig gekracht. Spätestens nach dem unterirdischen Remis gegen Sennestadt eine Woche zuvor deutete sich eine Katastrophe an, die man nur unter Aufwendung aller Kräfte, optimaler Vorbereitung und individueller Grenzerfahrung hätte abwenden können. Das Ergebnis des 6. Spieltages dokumentiert unterm Strich, wie gut das gelungen ist. Was mir einfach nicht in den Kopf will ist die Tatsache, dass es selbst unter widrigen Bedingungen immer wieder zu solchen entsetzlichen Tragödien kommen muss, von denen wir in den vergangenen 4 Jahren nun schon 4 Stück gesammelt haben. Ein Mysterium sondergleichen.

 

 

 

Es wird wohl keine leichte Aufgabe werden, dieses Desaster jetzt erst einmal aufzuarbeiten. Etwas können wir uns dabei in Senne allerdings zugutehalten, denn wir haben damit reichlich Erfahrung. Sicher wird uns auch der ein oder andere Schreiberling genüsslich eine „Krise“ anhängen wollen, tja unter Krise verstehe ich ehrlich gesagt noch etwas ganz anderes.

 

Die Mannschaft muss jetzt mit allen die dazugehören ins Eingemachte gehen und Klartext reden. Floskeln helfen da nicht weiter. Wie so häufig in der Vergangenheit wird es darum gehen, den Reset-Knopf zu suchen und ihn hoffentlich schleunigst zu finden. Die Coaches werden gefragt sein, die Köpfe wieder frei zu kriegen.

 

Ein Gutes hat die Sache: Mit der Tabelle braucht man sich jetzt vorläufig nicht mehr zu befassen, denn bis auf weiteres und wegen mir bis zum Ende der Saison kann und muss man ausschließlich auf sich selber schauen.

 

Man of the Match: Fehlanzeige